Chronik

Chronik



Zur Geschichte des MGV Sängerbund 1860 Heiligkreuzsteinach e.V.


Der damalige 1.Vorsitzende Karl Rehberger hat zum 125-jährigen Jubiläum, nach sorgfältiger Recherche, die Geschichte des Vereins vom Gründungsjahr 1860 bis 1985 aufgeschrieben.

Das wirkliche Gründungsjahr liegt wahrscheinlich um mindestens drei Jahre vor 1860. Auf dieses Gründungsjahr, das unserem Jubiläum zugrunde liegt, hat man sich im Jahre 1930 aufgrund der damaligen Dokumentenlage geeinigt.


Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass auch der Sängerbund Heiligkreuzsteinach ein Kind der demokratischen Bewegung Mitte des 19. Jahrhunderts ist, die ihre Höhepunkte im Hambacher Fest bei Neustadt an der Weinstraße im Jahre 1832 und in den politischen Freiheitskämpfen des Märzen 1848 hatte. Nachdem die Revolution zwar zur ersten Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche geführt hatte, scheiterte sie aber dann doch am Widerstand der Landesfürsten und besonders an dem des Königreiches Preußen. Die Männerbünde und politischen Gruppen – es waren allerdings auch nicht wenige Frauen dabei – die aufs Hambacher Schloss gezogen waren und für die demokratische Erneuerung und nationale Einheit Deutschlands hoffnungsvoll eingetreten waren, wurden verboten. Das lassen sich nicht viele gerne bieten, und Kurpfälzer und Badener schon gar nicht. Heute sieht die Welt anders aus. Ein Ergebnis dieser Zeiten noch im Jahre 1848 und direkt danach war: Man gründete Gesangvereine; zum einen, um das Verbot politisch motivierter Versammlungen zu umgehen, zum anderen, um tatsächlich in Form des gemeinsamen Gesangs von Liedern die Gemeinschaft weiter zu pflegen und durchaus auch seinen gesellschaftlichen Hoffnungen und Überzeugungen Ausdruck zu verleihen.

„Grüß Gott mit hellem Klang, Heil deutschem Wort und Sang.“ Man darf vermuten, dass diese und ähnliche Liedverse (auch Hoffman von Fallerslebens Deutschland-Lied) in erster Linie dazu dienten, mehr oder weniger verschlüsselt den Zusammenhang nationaler Bestrebungen und der Sehnsucht nach Freiheit zu proklamieren. Mag uns Heutigen diese Verbindung zum Teil auch fremd vorkommen oder das eine oder andere verluderte Wort Schwierigkeiten machen, die Obrigkeiten des 19. Jahrhunderts jedenfalls beobachteten die Gesangvereine mit besonderem Argwohn. (Die 68-er Obrigkeiten übrigens nicht minder, wenn auch mit anderen Vorzeichen und anderen Mitteln…)


Die Problematik, die für manche Sänger in der zunehmenden „Globalisierung des Liedgutes“ liegt – und dementsprechend der dabei zu singenden Sprachen –, ist bekannt. Aber gehen damit nicht auch die Chöre in gewissem Sinne weiter auf den Wegen ihrer Gründungsväter? Über Grenzen hinweg, um von dort aus zu erleben, wo man zu Hause ist? Man mag dazu stehen, wie man will: Dem Sängerbund 1860 Heiligkreuzsteinach gelingt die Integration einer Sängerschar, zu der 10-jährige Jungen wie 86-jährige Männer gehören, sehr gut. Die Älteren freuen sich über einen Sieg, der mit Stücken wie „Lowlands“ oder „Only You“ ersungen wird, nicht weniger als die Jungen über einen, der dem Vortrag von „Oh, du stille Zeit“, „Es wollt ein Jäger jagen“ oder „Minnelied“ (13. Jahrhundert!) zu verdanken ist. Und nicht selten stimmen gerade die Jungsänger in geselliger Runde „Am Brunnen vor dem Tore“ oder andere deutschsprachige  Lieder an. Die früheren Jungsänger, die heute ans 50. oder 60. Lebensjahr reichen, setzen mit „Hush, somebody´s calling my name“ fort. Von russischen Texten und Melodien baltischer Völker gar nicht zu reden. Und wo es einmal am Textwissen – auch mancher Älterer – fehlt, hilft das Liederbuch des Vereins oder sogar das Internet direkt vor Ort.

Nicht zu vergessen: Die Frauen, Partnerinnen und Töchter der Sänger sind mit allen Nerven dabei, wenn es an Auftritte geht. Und glücklicherweise mit Herz, Hand und Verstand, wenn gearbeitet und geplant werden muss.


Dort also ist der MGV Sängerbund heute glücklich angekommen. Der Weg dorthin war lang, oftmals steinig, ja sogar zuweilen vom drohenden gänzlichen Scheitern begleitet. Er ist allerdings auch dicht gesäumt von großen Erfolgen und schönsten gemeinschaftlichen Erlebnissen. Hiervon wollen wir nun ein wenig erfahren.

Die Geschichte der ersten 125 Jahre ist, wie gesagt, von Karl Rehberger bestens beschrieben. Wir blicken trotzdem noch einmal kurz in die erste Hälfte der Vereinsgeschichte, machen aber nur ein paar kurze Schwünge und konzentrieren uns dann auf die Zeit nach 1946 bzw. 1985.

In die erste Hälfte der Vereinsgeschichte fallen die Gründung des Deutschen Reiches 1871, vor allem aber die beiden verheerenden Weltkriege, die die Sangestätigkeit im Heimatort zeitweise zum Erliegen brachten. Umso erstaunlicher und bewundernswerter ist, mit welchem Engagement die Wiederaufnahme in Angriff genommen wurde. Dies betrifft besonders das Jahr 1946, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg einige Sänger wieder mit dem Singen beginnen wollten und ins Untere Schulhaus (das heutige Rathaus) zur Versammlung riefen. 23 Männer folgten dem Ruf und begannen von vorn. 1950 folgte das erste Großfest im Dorf nach dem Krieg. Zum 90-jährigen Bestehen wurde ein Sängerfest mit „Kritiksingen“ auf einem Festplatz hinter dem Gasthaus „Zum Roten Löwen“ veranstaltet. Es folgten gute Jahre mit fleißigem Proben und kulturellem Einsatz im Heimatdorf. Unter dem Dirigenten Reinhard waren auch einige Erfolge zu verzeichnen.

1960 konnte dann der 100. Geburtstag auf dem Sportplatzgelände mit einem Sänger- und Heimatfest gestaltet werden. Viele frühere Heiligkreuzsteinacher waren eingeladen und kamen auch tatsächlich aus aller Welt angereist, und 36 Gastvereine waren dabei.


Mit dem Wegzug des Dirigenten zog auch der gute Geist für eine Weile aus. Mit Franz Josef Siegel kam er 1965 zurück und blieb bis 1976. Der Chor wuchs auf fast 60 aktive Sänger an, feierte viele Preise und Erfolge und 1970 ein rauschendes Fest.


Nach einem über zweijährigen „Interregnum“ mit dem Dirigenten Schüßler kam Willi Trautmann an den Dirigentenstab. Ein Glücksfall, wie nahezu alle ohne Zweifel sagen. Viele der damaligen Jungsänger, die die zwanzig noch nicht erreicht oder noch nicht lange überschritten hatten, sagen noch heute: „Beim Willi hammer´s Singe gelernt, awwer rischdisch“.


Mit Willi Trautmann kam auch wieder Erfolg: Allein in den drei Jahren vor dem Jubiläum 1985 sprangen sechs Erstplatzierungen heraus. Zum großen Jubiläum 1985 kamen 84 Chöre. Es ist bis heute sowohl in Heiligkreuzsteinach wie in vielen Gemeinden, deren Chöre damals zu Gast waren, in sehr guter Erinnerung. Der sensationelle Dorfabend mit großer Beteiligung aus dem Ort trug sicher wesentlich dazu bei.

Die Trautmann-Jahre gingen erfolgreich weiter: 1988 errang der Sängerbund die Kleine Tagesbestleistung in Mingolsheim, 1989 in Heddesheim, 1992 in Edesheim und Dossenheim, 1994 in Rohrbach, 1998 in Großsachsen, mehrere Erste Klassenpreise kommen hinzu. Willi Trautmann glänzte bei Konzerten und anderen Auftritten als Solist und wurde auch so seiner musikalischen Vorbildfunktion gerecht.

In zweijährigem Turnus wurden ausgedehnte Ausflüge über die Pfingsttage unternommen, u.a. an die Ostseeküste und nach Sachsen. Die Geselligkeit des Taktmeisters wurde von den Chorsängern und vielen Freunden im Dorf immer sehr geschätzt.

Noch einmal gibt es eine Reise mit Willi Trautmann nach Selent. Mit dem 140-jährigen Jubiläum im Jahre 2000, das in kleinerem Rahmen als Freundschaftssingen begangen wurde, endete dann Trautmanns Zeit nach 22 Jahren Dirigat – und doch nicht wirklich: Der ausgebildete Kammersänger wurde mit einem großen Konzert als Dirigent verabschiedet und als Ehrendirigent begrüßt. Die „Jungsänger“ sangen zur dalmatischen Melodie von „Gürtel und Tüchlein“ den Text:

Liebgewonnen haben wir das Singen…


Zum Jahreswechsel 2000/2001 kam als würdiger Nachfolger zur Freude der Sänger Richard Trares zum Sängerbund. Und schon im zweiten Jahr hatten die Heiligkreuzsteinacher in Wiesental, als Klassensieger in M2 mit nur einem Punkt hinter der Großen Tagesbestleistung, ganz großen Erfolg. Sehr intensives Proben mit Sondersingstunden und einem unvergesslichen Wochenende in Weschnitz hatten sich gelohnt. In Leihgestern ersang der MGV erneut den ersten Platz in der Klasse 2, und wieder fehlte nur ein Hauch zur Tagesbestleistung, die lediglich im Ehrensingen verfehlt wurde; die Klassenwertung zum späteren Tagessieger aus der Klasse M1 fiel gleich aus, womit man die anderen M1-Chöre übersungen hatte. Mit 137 von 140 möglichen Punkten für Danza erhielt der MGV die höchste Einzelwertung des gesamten Wettbewerbs.

Die Atmosphäre war gut, die Erwartungen stiegen, man lernte viel. Stimmungsvolle Jugendzeltlager wurden vom damaligen Vorstand Rolf Steiert ins Leben gerufen, der Chor wuchs wieder auf fast 60 aktive Sänger an, nachdem ausgangs der neunziger Jahre doch die Sängerzahl etwas zurückgegangen war.

2003 gewann der MGV in Oberschönmattenwaag. Im November gab der Sängerbund ein großes Herbstkonzert, bei dem erstmals auch der Projektchor FunXang auftrat – Auftakt einer kleinen Erfolgsgeschichte in den folgenden Jahren.

2004 nahm der Sängerbund zum ersten Mal an einem großen Chorwettbewerb teil. In Lindenholzhausen schlug man sich gegen enorm starke Konkurrenz nicht schlecht. Als bestbewerteter der aus Nordbaden angetreten Chöre, und bei einem hochklassigen Wettbewerb mit einer Silberwertung dekoriert, konnte man sich immerhin auf die eine Schulter klopfen, die andere schmerzte doch vom Druck der anderen.

Das Sängerjahr 2005 zeigte den von manchen immer noch gehegten Ambitionen dann doch die Grenzen. In Bernbach blieb der Erfolg ganz aus, und in Kreidach, wo man erstmals in der M 1 angetreten war, ebenso. Auch die Chemie litt irgendwie. Die Teilnahmen an Wettbewerben 2006 bestätigten diese Entwicklung. Der große Ausflug in die Toskana mit Gesang im Dom (unter großartiger Leitung des Vizedirigenten Bernd Beckenbach) und in den Gassen zu Lucca hatten den Zusammenhalt der Sänger gefördert. Obwohl der Pfingstausflug 2006 nach Soest die verstörte Harmonie zwischen Chor und Dirigent noch einmal für eine Weile retten konnte, folgte zum Herbst die Trennung.


Wiederum zu einem Jahreswechsel, diesmal 2006/2007, wurde Frank Ewald verpflichtet, unser heutiger Festdirigent. Schnell erwies sich auch das als glückliche Wahl. Nach zuerst knapp verpassten Siegen und einer Schlappe klappte es 2008 in Rauenberg endlich wieder mit einem sehr deutlichen Sieg in der Klasse M 3. Im Jahre 2009 kam dann mit drei Erstplatzierungen der Lohn des großen Fleißes von Dirigent und Chor: wieder ein Sieg in der M 2 beim Jubiläum des Liederkranz Lampenhain, sowie in der M 3 in Wiesental und in Blankenloch. Viele sehr junge Sänger sind wieder hinzugekommen, allerdings in Verstärkung eines Trends der bereits Anfang dieses Jahrzehnts eingesetzt hatte. Der Dirigent versteht es, die Generationen zu integrieren und aufeinander zuzuführen, ohne aus dem Blick zu verlieren, dass der qualifizierte Chorgesang dabei herausgearbeitet werden soll. Der große Spagat, der eine zentrale Herausforderung nicht nur unserer Zeit darstellt, gelingt ihm und dem Chor gut.

Der MGV Sängerbund 1860 Heiligkreuzsteinach steht in guter Kraft. Der Chor ist eine feste Größe im kulturellen Leben der Gemeinde, des Steinachtales und darüber hinaus. In Freud und Leid zum Lied bereit, versteht er sich als Leistungschor genauso wie als Freuden- und Trauerbegleiter zu allen Anlässen, die ein gemeinsames Dorfleben immer zu bieten beziehungsweise zu verkraften hat. Gerade letzteres ist nicht zu unterschätzen und wird in Publikationen zu Bedeutung und Engagement der Chöre unserer Zeit viel zu selten oder auch gar nicht berücksichtigt.

Wir hoffen, dass uns ein gütiges Geschick dabei hilft, all dies in der Zukunft weiter entwickeln zu können. Dank an alle, die in den 150 Jahren seit 1860 den Verein geleitet und begleitet haben – und vielleicht auch zu manchem verleitet, das sich im Nachhinein als weise herausgestellt hat.



Matthias Ohler




Chronik der Vereinsvorstände


Bürgermeister Johann Kling (um die Jahrhundertwende)

Bürgermeister Johann Beckenbach (1907 - 1914)

Johann Hartmann (1920 - 1922)

Karl Reinfort (1923 - 1926)

Nikolaus Kohl (1927 - 1930)

Adam Beckenbach (1931 - 1936)

Johann Pfahl (1937 - 1948)

Peter Rehberger (1949 - 1959)

Werner Fink (1959)

Bürgermeister Pfahl (1960 - 1961)

Hans Reinhard (1962 - 1964)

Hans Steiert (1965 - 1966)

Fritz Fischer (1967)

Karl Rehberger (1969 - 1974)

Kurt Langer (1974 - 1978)

Karl Rehberger (1978 - 1988)

Rolf Pfahl (1988 - 1998)

Rolf Steiert (1998 - 2004)

Rolf Pfahl (2004 - 2017)

Markus Sonnberger (seit 2018)